Der Seilscheibenpfeiler
Ein freistehendes Tor, ganz ohne Mauern links und rechts, wie bei diesem Kalksteinbau – das kennen wir von Triumphbögen. Auf den ersten Blick ist heute kaum zu erkennen, was es mit diesem Bauwerk auf sich hat. Wären die Seilscheiben noch vorhanden, von denen der Bau seinen Namen „Seilscheibenpfeiler“ hat, könnte man schon eher darauf kommen. Die Seilscheiben waren fünf große Stahlräder, die oben parallel über dem leicht schrägen Dach gelagert waren. Sie hatten außen eine Führung, in der dicke Drahtseile liefen.
Vier robuste Quermauern gehen in Richtung Tagebau vom Pfeiler ab. Sie können große Kräfte ins Fundament leiten, das zu diesem Zweck ganze fünf Meter in die Erde reicht. Oben an der Vorderseite waren einige Träger eingelassen, Teil einer aufwändigen Stahlkonstruktion, die sich an das Bauwerk anschloss und sich schräg hinunter bis zur ehemaligen Bruchkante des Tagebaus erstreckte.
Parallel dazu liefen zwei paar Gleise, die noch gute 200 Meter weit schräg in den Tagebau hinein reichten, auf einer Rampe, die dafür künstlich in den heute längst abgebauten Kalkboden getriebenen wurde. Auf diesen Schienen fuhren Waggons, die an den vorhin erwähnten Drahtseilen aus dem Tagebau gezogen wurden und dabei knapp 50 Höhenmeter überwanden. Während an einem Ende des Seils beladene Waggons (Loren) hoch geschleppt wurden, liefen am anderen, umgelenkten Ende leere Waggons wieder hinunter. Die dazu nötige Arbeit leisteten zwei Dampfmaschinen mit jeweils 130 PS, die sich seitlich von den Schienen befanden.
Übrigens entsprach es durchaus der Absicht der Erbauer, dass der Seilscheibenpfeiler an einen Triumphbogen erinnert: Wie die Schachtofenbatterie, so verdankt sich auch dieses Gebäude dem Verlauf des Deutsch-Französischen Kriegs 1870/71, der für das neu gegründete Deutsche Reich siegreich verlaufen war. Durch die Reparationszahlungen aus Frankreich brach damals sofort die sogenannte Gründerzeit an, die weniger als drei Jahre später in den Gründerkrach münden sollte. Innerhalb kürzester Zeit entstanden zahlreiche Gebäude wie der Seilscheibenpfeiler, aber auch die typischen Gebäude der Gründerzeit in Berlin, das sich bis zum Ersten Weltkrieg vervierfachen sollte.